Kafkas Prag, Mutter mit Krallen

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Franz Kafka und die Welt der Prager Bohème.

Kafka

Genau wie Kafka, Rilke oder Einstein können Sie sich im Café Louvre auf einen Kaffee niederlassen und Ihre Gedanken auf den kleinen Zettelchen festhalten, die mit einem Bleistift auf jedem Tisch ausliegen. Oder Sie trinken einen Death before noon — Frühstückscocktail im Café Slavia als Hommage an Hemigways legendären Cocktail Death in the afternoon. Oder vielleicht lieber doch nicht…

„Prag lässt nicht los. Uns beide nicht. Dieses Mütterchen hat Krallen. Da muss man sich fügen oder -. An zwei Seiten müssten wir es anzünden, am Vyšehrad und am Hradschin, dann wäre es möglich, dass wir loskommen.”

So beschreibt Franz Kafka, einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, in einem Brief an Oskar Pollak vom 20. Dezember 1902 seine unkritische Liebe zu Prag und seine Unfähigkeit, es zu verlassen. Wir Prager empfinden Gleiches wie Kafka. Unser Prag lieben wir unkritisch und diese Liebe hält ein Leben lang.

Prag hat einige der bekanntesten deutsch schreibenden Schriftsteller aller Zeiten hervorgebracht. Nicht nur den Juristen und Romancier Franz Kafka, sondern auch den Publizisten, Romancier, Dichter und Übersetzer Max Brod und den ebenso vielseitigen Franz Werfel. Die Familien aller drei Freunde kamen jedoch in der vorigen Generation aus verschiedenen Teilen Böhmens nach Prag. Während Brods Vater aus Prag stammte, kam seine Mutter aus Věrušice in der Region Karlovy Vary, Franz Werfels Vater stammte aus Mladá Boleslav und seine Mutter aus Plzeň, und Franz Kafka selbst hatte väterlicherseits Wurzeln in der Nähe von Strakonice und mütterlicherseits in Poděbrady in Mittelböhmen. Ihre Familie war es, die Franz Kafka das begehrte kulturelle Umfeld verschaffte: in ihm wimmelte es von Rabbinern, Talmud-Experten und Intellektuellen. An Kafkas Wurzeln in Poděbrady erinnert heute eine Büste des Schriftstellers, die der akademische Bildhauer Jan Pichl am Geburtshaus von Franz’ Mutter Julia Kafka, geb. Löwy am Stadtplatz in Poděbrady angebracht hat.

Brod war der engste Freund von Franz Kafka. Sie lernten sich an der Universität kennen. Brod ermutigte den schüchternen, stark selbstkritischen Schriftsteller in seiner Arbeit und stand ihm auch während seiner Krankheit hilfreich zur Seite. Wenig bekannt ist, dass Kafka ein Liebhaber der gesunden Lebensweise war. Er liebte das Schwimmen und ernährte sich auch gern vegetarisch. Leider verlor er 1924 im Alter von nur vierzig Jahren den Kampf gegen die Tuberkulose, und in seinem Testament schrieb er, dass seine unveröffentlichten Texte vernichtet werden sollen, womit er seinen Freund Max Brod betraute. Dieser kam seinem Wunsch jedoch nicht nach und veröffentlichte das Werk. Zum Glück – sonst wären der Welt solche Schätze wie Der Prozess, Das Schloss oder Amerika verlorengegangen.

Die tschechischen und deutschen Autoren des sog. Prager Kreises trafen sich oft in Cafés. Das Arco-Café existiert leider nicht mehr. Nichtsdestotrotz können Sie sich von der einzigartigen historischen Atmosphäre in den beiden heute noch betriebenen Cafés im Wiener Stil betören lassen. Das Café Louvre wurde 1902 gegründet. Neben Franz Kafka, Max Brod und Franz Werfel verkehrte hier 1912 auch Albert Einstein, der die regelmäßigen Dienstagssalons der deutschsprachigen Intellektuellen und Pionierin der Frauenbewegung Bertha Fant besuchte. Auch heute noch ist das Café Louvre ein Treffpunkt für kulturelle und politische Persönlichkeiten, und beim traditionellen Fünf-Uhr-Tee, der täglich zwischen 16 und 18 Uhr serviert wird, kann man in die Rolle der Prager Bohème schlüpfen.

Das vielleicht berühmteste und beliebteste Café Prags ist das Slavia. Es wurde 1881 im Art-Déco-Stil erbaut und jeder Prager kennt seine ikonischen Marmor- und Holzwände und die klobigen runden Tische. Es bietet einen wunderschönen Blick auf die Prager Burg, die Karlsbrücke, den Aussichtsturm auf dem Petřin und das Nationaltheater. Schon bald wurde es zu einem traditionellen Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle. Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Literaturnobelpreisträger Jaroslav Seifert und die weltberühmten Komponisten Bedřich Smetana und Antonín Dvořák kamen hierher. Nach dem Prager Frühling, dem Einmarsch der russischen Armee im Jahr 1968, trafen sich hier tschechoslowakische Dissidenten unter der Führung von Václav Havel. Für die Prager Bohème werden spezielle Frühstücksgetränke angeboten, wie den Death before noon, ein Cocktail aus Absinth-Likör, Prosecco und Zitronenstaub. Er ist die Prager Antwort auf den von Ernst Hemingway erfundenen Cocktail Death in the afternoon. Prost!

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