In Schikaneders Gemälde einzutreten vermögen wir zwar nicht, aber zumindest können wir auch heute noch einige der auf seinen Bildern festgehaltenen Orte besuchen. Den bekanntesten, den Hof eines Pawlatschenhauses, in den der Maler seinen berühmten Mord im Hause hineinkomponierte, finden wir jedoch nicht mehr. Dem Abriss ist nicht nur das Haus Nummer 255 im Josefov, wo sich die Tragödie ereignete, sondern auch die Rabínská-Straße selbst, in der es stand, zum Opfer gefallen. Wir wissen allerdings, dass sie an der Altneuen Synagoge und dem Jüdischen Rathaus vorbeiführte, die beide einen Besuch wert sind. Das Geheimnis, von dem das Bild des toten Mädchens auch nach mehr als 130 Jahren umwoben ist, wird durch die Umgebung des ehemaligen jüdischen Ghettos, in dem Gustav Meyrink seinen rätselhaften Golem umherwandeln lässt, noch verstärkt. Mord im Haus | Quelle: www.sbirky.ngprague.cz Wenn wir uns von der ehemaligen Judenstadt über die Maisel-Straße in die Altstadt begeben, gelangen wir nach nicht ganz 300 Metern zum Haus U Zelené žáby (Haus Zum grünen Frosch). Auch dieses Haus wurde zum Motiv eines der Bilder von Jakub Schikaneder. Es entstand um 1905 und zeigt ein mächtiges Gebäude in dunkelkarminroter Dämmerung mit mehreren beleuchteten Fenstern und einer angezündeten Gaslaterne an der Fassade. Den grünen Frosch über dem Eingang – das Zeichen, das dem Haus seinen Namen gab – erahnen wir in der Dunkelheit kaum. Das Haus steht in unmittelbarer Nähe des Franz-Kafka-Platzes, wo sich auch das Geburtshaus dieser Ikone der deutschsprachigen Literatur in Prag befand. Das Gebäude selbst, in dem Kafka zur Welt kam, wurde zwar bereits abgerissen und durch ein anderes ersetzt, doch das Geheimnis, das in den Werken beider Künstler präsent ist, lässt die Luft hier noch immer vibrieren. Wenn Sie vom Haus U Zelené žáby über den Altstädter Ring gehen und die Gasse entlang der Teyn-Kirche nehmen, gelangen Sie zum Komplex der historischen Zollstätte namens Ungelt. Achtzehn Häuser, aus denen er besteht, umgeben einen malerischen Innenhof namens Teyn-Hof. Der Komplex gehört zu den schönsten Orten Prags. Wenn Sie hier in der Dämmerung Halt machen, können Sie sich tatsächlich fast in Schikaneders Gemälde Ungelt versetzen. Es fehlt vielleicht nur eine vor dem Haus stehende Droschke, die von einer Karbidlampe beleuchtet wird. Jakub Schikaneder ließ sich jedoch nicht nur von den Winkeln und Gassen der Altstadt inspirieren. Ebenso anmutig ist zum Beispiel sein Gemälde Früher Abend im Hradschin, das eine Frauengestalt zeigt, die von einem Aussichtspunkt unter der Prager Burg auf die Kleinseite hinabblickt. Die untergehende Sonne über der St.-Nikolaus-Kirche und dem städtischen Glockenturm überzieht den Himmel mit einem weichen rosa Licht. Diese von Schikaneder eingefangene Atmosphäre können Sie nachempfinden, wenn Sie vom Kleinseitner Platz durch die Neruda-Straße mit ihren zauberhaften Hauszeichen oder von der Thun-Straße über die Neuen Burgtreppen hinaufsteigen. Früher Abend im Hradschin | Quelle: www.sbirky.ngprague.cz Aber auch wenn Sie sich entscheiden, die Burg bequem mit der Straßenbahn zu erreichen, werden Sie dem Geist von Schikaneders magischen Bildern begegnen! Eines seiner Lieblingsmotive sind nämlich auch die Prager Straßenbahnen. Wir finden sie beispielsweise auf den Gemälden Straßenbahn in Prag oder Ufer mit Straßenbahn. Auf letztgenanntem sehen Sie einen einzelnen elektrischen Wagen, der über das heutige Smetana-Ufer fährt. Nicht weit von dem Ort entfernt, den Schikaneder auf seinem Gemälde festgehalten hat, können Sie auch selbst in einen solchen Wagen einsteigen: Die historische Straßenbahnlinie 42, auf der auch Wagen aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie eingesetzt werden, fährt am Nationaltheater vorbei. Über die Legionärsbrücke führt sie am Prager Jesuskind vorbei, über den Kleinseitner Platz und Klárov und bringt Sie dann bis zur Haltestelle Prager Burg. Ebenso magisch und gespenstisch sind auch Schikaneders Schiffe. Die Atmosphäre des Gemäldes Dampfer auf der Moldau vor der Palacký-Brücke in Prag können Sie direkt an dem Ort erleben, den der Maler festgehalten hat. Hier endet heute der Prager Kai an der Moldau Náplavka mit ankernden Schiffen, die zu schwimmenden Bistros oder Restaurants umgestaltet wurden. Lockt Sie eine Bootsfahrt im Geiste von Schikaneder? Dann wählen Sie eine Fahrt auf dem Čertovka-Kanal mit einem der Boote der Prager Gesellschaft Pražské Benátky, deren Anlegeplatz sich am Ende der Platnéřská-Straße in der Altstadt befindet. Besonders romantisch ist es jedoch, nach den Prager Motiven von Schikaneder zu suchen, die sich nicht genau lokalisieren lassen. Welchen Teil Prags zeigt das Gemälde Prager Gasse bei Nacht, das eine nächtliche Gasse darstellt, in deren Biegung ein Haus mit offenen Torflügeln steht, hinter denen ein orangefarbenes Licht einer Lampe flackert? Und wo steht das Haus aus dem Gemälde Straße am Abend mit dem unleserlichen Aushängeschild, das von rechts von einem schwachen Licht einer Gaslaterne beleuchtet wird, die nicht mehr zu sehen ist? Sind es Szenen von Orten, die bei der Prager Sanierung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verschwunden sind? Oder sind diese Bilder der Phantasie von Schikaneder entsprungen? Und was, wenn sie immer noch irgendwo existieren? Machen Sie einen Spaziergang durch das abendliche Prag und entdecken Sie einige von ihnen für sich und andere!