Das Hotel Jalta entstand nach einem Entwurf des Architekten Antonín Tenzer in den Jahren 1954—1958 im oberen Teil des Wenzelsplatzes an der Stelle, wo ein zerbombtes Haus eine Lücke hinterlassen hatte. Es gehört zu den repräsentativsten Bauten jener traurigen und widersprüchlichen Zeit. Die mit Travertin verkleidete Steinfassade ist reich, aber sensibel mit plastischen Ornamenten, Karyatiden-Gruppen und skulpturalen Accessoires verziert. Das Hotel wurde am 1. Juni 1958 eröffnet und verfügte über 96 Zimmer mit 140 Betten. Im Jahr 1989 wurde unter dem Keller des Hotelgebäudes ein makelloser zweistöckiger Atombunker aus Stahlbeton und Bleiplatten entdeckt. Das Jalta sollte im Falle eines Kriegskonflikts zum Hauptquartier des Warschauer Pakts werden. Antonín Tenzer Hotel Jalta in Prag, 1954—1958 Václavské náměstí 45, Praha 1 – Nové Město Antonín Tenzer nutzte seine Kenntnisse und Erfahrungen aus seiner frühen Jugend und seinem Studium für sein vielleicht bedeutendstes eigenständiges Nachkriegsprojekt— das Hotel Jalta am Wenzelsplatz. In seinem Projekt für das Jalta entwarf er nicht „nur“ die Architektur, sondern das gesamte Gebäude. Er schuf ein künstlerisches Gesamtwerk, das Mobiliar und alle Einrichtungsgegenstände umfasste, von Parkettböden über Leuchten bis hin zur Auswahl der Kunstwerke oder, wie der Autor selbst gern betonte, sogar das Design der Fußmatte. Die Bedeutung des Jalta liegt in der Realisierung eines Hotels als hochwertiges Gesamtkunstwerk, das in einer gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch äußerst ungünstigen Zeit entstanden ist, aber auch in der Achtung vor der außergewöhnlichen Lage, deren Bedeutung sich Tenzer absolut bewusst war. Das Hotel füllte eine der drei Lücken, die an die Bombardierung des Prager Wenzelsplatzes im Mai 1945 erinnerten, und wurde fast zeitgleich mit dem tschechoslowakischen Pavillon auf der Expo 1958 in Brüssel eröffnet. Die Entstehungsgeschichte des Hotels zeichnet die damalige Situation nach: das Gebäude sollte so schnell wie möglich die freie Parzelle füllen (was in erster Linie eine politische Aufgabe war), während der ersten Bauarbeiten änderte sich das Konzept (Tenzer setzte die Idee eines Luxushotels durch, das entgegen dem ursprünglich geforderten Hotel der unteren Kategorie der Bedeutung des Ortes entsprach), der Architekt musste die Verwendung von Marmor, Zipser Travertin oder Buntmetallen (d.h. von Materialien, die in der Nachkriegszeit verboten waren, insbesondere kurz nach der Währungsreform) verteidigen. Nicht zuletzt musste er vor einem ideologischen Ausschuss rechtfertigen, weshalb der Entwurf der Fassade nicht klassisch genug sei. Obwohl das Jalta in der tschechischen Architekturgeschichte als ein hervorragendes Beispiel des sozialistischen Realismus gilt, finden wir hier viele Elemente, mit denen Tenzer bewusst an die Tradition anknüpfte, aber auch mit aktuellen Impulsen arbeitete. So kann die hohe Hauptfassade also nicht nur als ein zurückhaltender Verweis auf den geforderten Neoklassizismus (Sowjet-)Russlands betrachtet werden. Tenzer verstand das Projekt eines internationalen Hotels am bedeutendsten Platz Prags als ein Gebäude, das repräsentativ und monumental sein sollte, aber auch das Gebäude von größerer Bedeutung – nämlich das Nationalmuseum – respektieren musste. Die Fassade mit ihrer klassischen Formensprache, der ungewohnten gleichen Anzahl von Fensterachsen und zwei Eingängen folgt bewusst dem sog. nationalen Stil: eine stark plastische, oft rot-weiße tschechoslowakische Variante des Art Deco, die Architektur seiner Kindheit und der Generation seiner Lehrer. Die Diagonale, die sich von der Fassade bis zum letzten kunsthandwerklichen Detail des Innenraums erstreckt, erweitert die Fassade optisch, erzeugt gleichzeitig aber auch ein traditionelles Kreuzmotiv. Signifikant ist die skulpturale Dekoration der Fassade – die vier Skulpturengruppen entsprechen zwar formal den Anforderungen der damaligen Zeit, sind aber ikonografisch zeitlos und frei von den traditionellen Attributen des sozialistischen Realismus. Das Hotel bestand aus drei Baukörpern: dem eigentlichen Hotelgebäude mit einer monumentalen Fassade zum Wenzelsplatz hin, einem mittleren Ovalbau mit einem luxuriösen, der Öffentlichkeit zugänglichen Innenbereich und einem (heute nicht mehr existierenden) hinteren Flügel mit den notwendigen Räumlichkeiten für den Hotelbetrieb und die Mitarbeiter. Die Umbauten nach der Revolution von 1989, der Wechsel der Eigentümer und die Einrichtung eines Casinos in der ehemaligen Weinstube im Untergeschoss führten zur Entfernung oder sogar zum Verlust zahlreicher Kunstwerke, z. B. von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová. Im Erdgeschoss des ovalen Teils wurden sechzehn Fenster mit figürlichen Radierungen von Milada Trčková verblendet, die den Blick in den Innenraum versperrten. Im selben Raum verbirgt sich hinter einer Gipskartonwand ein sieben Meter langes Keramikrelief des Bildhauers Václav Markup. Antonín Tenzer (1908—2002) Nach Abschluss der Fachschule für Holzbearbeitung in Valašské Meziříčí absolvierte er kurze Praktika im Atelier von František Lýdia Gahura in Zlín und anschließend im Atelier von František Janda in Prag (1927), wechselte aber bald zu Jaromír Krejcar (ab 1927). Er absolvierte die Akademie der bildenden Künste in Prag im Atelier von Pavel Janák (1928—1933).1939 gründete er mit seinem Schulfreund Richard F. Podzemný ein privates Atelier, das er nach dem Krieg kurzzeitig wieder eröffnete. In den Jahren 1950—1953 gründete und leitete er das Kommunale Bauunternehmen, das 1953 in das Institut für Bauplanung der Hauptstadt Prag umgewandelt wurde (bis 1974). Anschließend setzte Tenzer seine Tätigkeit als Architekt in der Architektonischen Abteilung des Tschechoslowakischen Fonds für bildende Künste fort (1974—1989). 1999 erhielt er den Preis der Architektengemeinde für sein Lebenswerk. Er spezialisierte sich vor allem auf Gesundheitsbauten. Dem Buch Architektur 58—89 entnommen Konzept der Publikation, Herausgeber, Autor der Diskussionen: Vladimir 518 Zdroj: www.hoteljalta.com