Architektur 1958—89: das Kaufhaus Kotva

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Obchodní dům Kotva | zdroj Prague City Tourism

Das Kaufhaus Kotva ist ein beispielloses Werk der tschechischen Architektur von der Wende der 1960er und 1970er Jahre. Es ist das erste nach 1950 in Prag gebaute Kaufhaus, das nach einem Entwurf der Architekten Věra und Vladimír Machonin entstanden ist. Mit seiner reichgegliederten Raumgestaltung fügt sich das Gebäude hervorragend in den Kontext der vielfältigen Bebauung an der Grenze zwischen Altstadt und Neustadt ein. Das erforderliche große Volumen wird geschickt in eine wabenförmigen Grundrissstruktur integriert, wodurch die freie Fläche maximal und einfühlsam ausgenutzt wird, ohne die tatsächliche Größe zu offenbaren. Die Außenhülle steht in deutlichem Kontrast zur Umgebung; es wurde eine Oberfläche aus vorkorrodiertem Stahlblech gewählt, das gegen weitere Korrosion beständig ist. Seine dunkle Farbe, durchbrochen von wenigen Fensterflächen, lässt das Gebäude in seinem Volumen noch geringer erscheinen.

Věra Machoninová — Vladimír Machonin
Kaufhaus Prior Kotva in Prag, 1970—1975

náměstí Republiky 8, Praha 1 – Staré Město

Im Herbst 1969 schrieb das Büro des Chefarchitekten eine der letzten uneingeschränkten anonymen Ausschreibungen in Prag aus – die Ausschreibung für das künftige Kaufhaus Kotva. Mehrere Jahre lang wurde nach einem Standort für den Bau des ersten Kaufhauses mit Vollsortiment seit der Eröffnung des Weißen Schwans im Jahr 1939 gesucht. Die endgültige Strategie sah ein zentrales Kaufhaus am Senovážné-Platz und drei kleinere in belebten Geschäftszentren vor. Für das erste Gebäude schien die Baulücke in der Nähe des Platzes der Republik am besten geeignet.

Das gegliederte Grundstück an der Schnittstelle zweier Viertel mit unterschiedlichen Höhenbeschränkungen und die enorme Fläche im Ausschreibungsprogramm erforderten jedoch einen originellen Ansatz. Die Machonins entschieden sich für ein sechseckiges Modul einer Spannweite von 14,2 Metern mit zentraler Stütze, wodurch auch die Bauhöhe der Geschosse reduziert werden konnte. Gleichzeitig gelang es ihnen, das riesige Volumen zu zerlegen und „durch verkleinerte Konstruktionselemente ein solches architektonisches Maß zu schaffen, der der Intimität des historischen Umfelds entspricht, ohne dessen Formensprache nachzuahmen“. Die freie Komposition ermöglichte es, in zurückgesetzten Geschossen und Terrassen auf die wechselnden Höhen der umliegenden Bebauung zu reagieren und gleichzeitig das Konzept des freien Innenraums beibehalten.

Die Forderung nach einer schnellen Realisierung veranlasste den Investor, sich an ausländische Bauunternehmen zu wenden. Das schwedische Unternehmen SIAB gewann die Ausschreibung und garantierte den Fertigstellungstermin und einen Kostenrahmen von 22 Millionen Dollar. Sie setzte allerdings eine Anpassung des Konstruktionssystems und die Erstellung eines Ausführungsprojekts durch – die ursprünglich vorgeschlagene schlanke Stahlkonstruktion wurde durch Stahlbetonpilzsäulen ersetzt, deren Köpfe die Machonins indes durch schräge Streben ersetzten, wodurch die darüber liegende Stahlbetonplatte freigelegt wurde. Die vorgefertigten Teile wurden von SIAB in Schweden hergestellt und täglich mit Lastkraftwagen zur Baustelle gebracht. Während mehrerer Reisen nach Stockholm entwarf Věra Machoninová die Fassade des Gebäudes, für die sie eine finnische Verkleidung aus eloxiertem Aluminiumblech wählte, deren vertikale Gliederung und dunkler Farbton dazu beitrugen, das riesige Volumen des Gebäudes zu verbergen.

Věra Machhoninová (geboren 1928)

Sie studierte an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität in Prag (1952). 1952—1956 arbeitete sie bei Stavoprojekt Prag, das in das Bezirksplanungsinstitut Prag umgewandelt wurde (1956—1966), in der Vereinigung der Projektateliers — Atelier Alfa in Prag (1967—1971), im Institut für Bauplanung der Hauptstadt Prag (1971—1990), und gründete 1991 das Büro Atelier Alfa. Sie erhielt den Grand Prix der Architektengemeinde für ihr Lebenswerk (2006), die Ehrung der Tschechischen Architektenkammer (2014) und den Preis des Kulturministeriums für ihren Beitrag zur Architektur (2017).

 

Vladimír Machonin (1920—1990)

Er studierte an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität in Prag (1947) und arbeitete dann als Assistent im Institut für Architekturtheorie an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität Prag (1947— 1950), am Studien- und Typisierungsinstitut in Prag (1950), bei Stavoprojekt Prag (1951—1959), das in das Bezirksplanungsinstitut Prag umgewandelt wurde (1959—1966), in der Vereinigung der Projektateliers – Studio Alfa in Prag (1967—1971) und am Institut für Bauplanung der Hauptstadt Prag — Atelier 1 in Prag (1971—1990).

 

Dem Buch Architektur 58–89 entnommen
Konzept der Publikation, Herausgeber, Autor der Diskussionen: Vladimir 518

 

 

OD Kotva | Foto: Prague City Tourism
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