Bedřich Smetana

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bedřich smetana

Bedřich Smetana, dieser “Schöpfer des Nationalsten”, wurde als Friedrich geboren. Und obwohl er tschechisiert als Frydrych im Personenstandsregister eingetragen wurde, änderte dies nicht viel an seiner quasi deutschen Herkunft. Smetanas Vater, Franz, war ein eingedeutscher Bierbrauer, der überall dort Brauereien pachtete, wo er eine Geschäftsmöglichkeit witterte. Der kleine Fricínek, wie Bedřich zu Hause genannt wurde, wurde in der Brauerei geboren, die sich auf dem Gelände des Schlosses Litomyšl im Besitz der Waldstein-Wartenbergs befand.

Obwohl er das elfte Kind seines Vaters war und noch sieben weitere Geschwister geboren werden sollten, litt die Familie unter keinen Entbehrungen; so konnte ihm sein Vater eine gute, auch musikalische Ausbildung ermöglichen. Der kleine Bedřich lernte ab seinem fünften Lebensjahr Geige und Klavier und hatte seinen ersten öffentlichen Auftritt im Alter von sechs Jahren. Er war nicht das Wunderkind, das Mozart 70 Jahre zuvor gewesen war, aber sein Talent war von Kindheit an offensichtlich.

Als Bedřich sieben Jahre alt war, verlegte sein Vater sein Geschäft nach Jindřichův Hradec, wo Smetana die Hauptschule und auch das erste Jahr des Gymnasiums absolvierte. Hier lernte er nicht nur zum ersten Mal die Familie seiner späteren Frau Kateřina, geborene Kolářová, kennen (was ihm zu jener Zeit zweifellos gleichgültig war), sondern hier explodierte ihm auch beim Spiel eine Flasche mit Schießpulver in der Hand. Sie verursachte ihm eine Platzwunde im Gesicht, die sein Gesicht dauerhaft entstellte und er aufgrund einer chronischen infektiösen Entzündung sein Leben lang mit immer wiederkehrenden Schmerzen kämpfen musste. Möglicherweise trug sie sogar zu seinem späteren Hörverlust bei.

Der künftige Komponist schnitt auf dem hiesigen Gymnasium nicht sonderlich gut ab, und als die Familie ein Jahr später in die Region Benešov umzog, besuchte Bedřich in Jihlava ein weiteres Gymnasium. Seine schulischen Ergebnisse waren jedoch ähnlich wie in Jindřichův Hradec, und um nicht mit Ach und Krach abzuschließen, wechselte er noch diverse Gymnasien in Německý Brod, Prag und Plzeň. Dort beendete er nicht nur sein Studium, sondern verliebte sich auch zweimal. Zuerst in seine Cousine Aloisia, für die er Luisa´s Polka, seine erste vollständig erhaltene Komposition, schrieb, und dann in Kateřina Kolářová. Aus dieser Liebe schöpfte er unvergleichlich mehr musikalisches Material und obendrein führte sie später auch zu seiner erste Ehe.

Selbst die wenig überzeugenden Schulergebnisse, die Smetana auf allen von ihm besuchten Gymnasien erzielte, brachten seinen Vater nicht von der Idee ab, dass sein Sohn sein Studium an der Universität fortsetzen und Beamter werden sollte. Bedřich selbst hatte jedoch ganz andere Pläne: „Mit Gottes Hilfe werde ich eines Tages Liszt in der Technik und Mozart in der Komposition sein”, schrieb er damals in sein Tagebuch. Er widersetzte sich dem Wunsch seines Vaters und ging nach Prag, um dort seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er ahnte zu Recht, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts der künstlerische Ruhm, zumindest im tschechischen Sinn, ausschließlich im Schatten der Prager Türme erlangt werden würde. Man kann in Litomyšl, Benešov oder Plzeň Bier brauen. Aber eine Sinfonie von Weltrang kann man nur im größten Kulturzentrum des Landes schreiben und aufführen.

Der Bruch mit seinem Vater bedeutete aber auch den Verlust der finanziellen Unterstützung. Smetana lebte in Prag bei einem zartbesaiteten Verwandten und war nahezu mittellos. Wie wir aus seinen Tagebüchern wissen, gab es Tage, an denen er sich nur von einem einzigen Brötchen und einer Tasse Kaffee ernährte. Dennoch dachte er nie daran, in seine wohlhabende Unfreiheit zurückzukehren. Über den Direktor des Prager Konservatoriums erhielt er eine Anstellung als Hausmusiklehrer bei der Familie Thun und damit ein so gutes Gehalt, dass er bei Josef Proksch in der Altstadt Musiktheorie und Komposition studieren konnte. Kaum hatte er sein Studium beendet, kündigte er den Thuns und eröffnete seine eigene Musikschule auf dem Altstädter Ring.

Anfangs lief es so gut, dass Smetana es wagte, Kateřina Kolářová, die er seit der Schulzeit liebte, zu fragen, ob sie ihn heiraten wolle. Kateřina, die mit ihm bei Proksch Klavier studierte, zögerte lange Zeit. Smetana war definitiv nicht ihre Liebe auf den ersten Blick – sie entfernte sich von ihm und kam ihm sieben Jahre lang wieder näher. Doch nun willigte sie ein und am 29. August 1849 sagte sie dem Pfarrer der St. Stephan in der Prager Neustadt: Ja – in guten und in schlechten Zeiten. Sie zogen in eine Wohnung an der Straßenecke V Jámě und Vodičkova und Kateřina gebar Bedřich in den nächsten fünf Jahren vier Töchter. Drei von ihnen starben jedoch innerhalb eines Jahres. Nur Žofie blieb am Leben, zu der sich Smetana hingezogen fühlte und mit der er ein Leben lang eine enge Beziehung hatte. Die Beziehung zu Kateřina hingegen verwelkte wie eine Blume, die durch den Kummer über den Verlust ihrer Kinder und die Veränderung ihres Charakters durch Tuberkulose verbrannt war.

Auch die Zeiten, in denen Smetanas Musikinstitut florierte, waren dahin. Smetana, der sich danach sehnte, zu komponieren und sich musikalisch einen Namen zu machen, endete als einfacher Lehrer, von denen es in Prag nur so wimmelte. Sein Traum von einem großen Werk begann sich in kleinen Verhältnissen aufzulösen. In dieser düsteren Atmosphäre kam das Angebot einer Dirigentenstelle bei der Philharmonischen Gesellschaft in Göteborg, Schweden. Tatsächlich bekam sie der Prager Pianist Alexander Dreyschock, der daran jedoch kein Interesse hatte und sie an Smetana weitergab. Smetana nahm an und reiste in die Stadt, in der die durchschnittliche Tagestemperatur selbst im Juli  nicht mehr als 14 °C beträgt. Nach dem ersten Jahr seines Aufenthalts folgte ihm auch seine Frau dorthin.

Letztlich stellte sich aber heraus, dass ein fünfjähriger Aufenthalt in Schweden nicht das war, was Smetana seinem Traum näher bringen würde. Das provinzielle Göteborg mit seinem hoffnungslos konservativen Publikum brachte ihm zwar Erfahrungen als Kapellmeister und Chorleiter und verschaffte ihm ein ansehnliches Einkommen, aber damit endete auch schon die Aufzählung seiner Vorteile. Hinzu kam, dass Kateřina depressiv wurde und sich ihre Lungenkrankheit verschlimmerte. Sie starb bei ihrer vorzeitigen Rückkehr nach Böhmen im April 1859, dem dritten Jahr von Smetanas Aufenthalt in Skandinavien. Es war sicherlich keine Traumehe, aber Smetana liebte sie seit seiner Jugend und bis zu ihrer Krankheit war sie ihm auch eine emotionale Stütze.

Der gebrochene Komponist, der sich zudem um seine sechsjährige Tochter Sophie kümmern musste, heiratete ein Jahr später die Schwägerin seines Bruders, Barbora, was von Anfang an ein Fehler war. Die zwanzigjährige Betty, wie Barbora sich selbst nannte, war 16 Jahre jünger und empfand weder Liebe noch Bewunderung für Smetana. Sie schenkte ihm in kurzer Zeit zwei Töchter, woraufhin die Ehe de facto in die Brüche ging – seit Mitte der 1960er Jahre lebten sie getrennt. Smetana widmete sich immer mehr seiner Arbeit. Bereits 1861 kündigte er in Göteborg, und nach einer Reihe von Europareisen ließ er sich 1862 endgültig in Prag nieder.

Dies war der Beginn des Höhepunkts seines künstlerischen Lebens. Der mit Lebenserfahrung gereifte Komponist integrierte sich rasch in das gesellschaftliche Leben Prags (weshalb er auch hart daran arbeitete, sein Tschechisch zu verbessern). Er wurde Mitbegründer der Künstlerischen Gesellschaft Umělecká beseda (in ihrem Sitz auf der Kleinseite befindet sich heute das Theater Na Prádle), engagierte sich in der jungtschechischen Politik und gründete mit Ferdinand Heller eine Musikschule im Lažanský-Palais am heutigen Smetana-Ufer. Er veröffentlichte Musikkritiken im Tagesblatt Narodni listy und komponierte vor allem selbst Musik – aus dieser Zeit stammen seine beiden überaus erfolgreichen Opern Braniboři v Čechách (Die Brandenburger in Böhmen) und die erste Fassung von Prodaná nevěsta (Die verkaufte Braut).

Im Jahr 1866 wurde Smetana erster Kapellmeister des Provisorischen Theaters. Es war eine Position, die er anstrebte, die ihm aber auch viel Unangenehmes einbrachte: Missgunst, Neid und Zwietracht. Er versuchte erstklassiges und anspruchsvolles Weltrepertoire aufzuführen und zugleich eine unverwechselbare nationale Musikkultur zu fördern. Dabei stieß er jedoch auf die schlechten technischen und räumlichen Möglichkeiten des Provisorischen Theaters und den eher anspruchslosen Geschmack des Publikums. Zudem musste er sich ständig  gegen Angriffe von künstlerischer, politischer und ganz persönlicher Seite wehren – seine Konzepte und Pläne wurden massiv kritisiert, das Repertoire wurde als pro-deutsch bezeichnet, die Solisten beklagten sich über die Begünstigung einiger weniger Lieblinge des Meisters. Wäre dem Kapellmeister 1874 der Taktstock nicht durch Krankheit aus der Hand geschlagen worden, hätte dies früher oder später einer seiner Konkurrenten getan.

Der Verlust des Gehörs, der ihn im Sommer (rechtes Ohr) und im Herbst (linkes Ohr) 1874 ereilte, zwang ihn, alle seine Ämter im Provisorischen Theater niederzulegen. Als Ursache wird eine fortschreitende Lähmung als Symptom der Syphilis vermutet, aber auch eine Verkalkung der Hirnarterien oder eine chronische infektiöse Entzündung des Knochenmarks, verursacht durch den erwähnten Unfall im Alter von 10 Jahren, werden in Betracht gezogen. Das Ende von Smetanas Leben spricht jedoch eher für die erste Möglichkeit.

Die Theatergenossenschaft verhielt sich Smetana gegenüber allerdings recht anständig und gewährte ihm eine Pension von 1.200 Gulden pro Jahr (später sogar 1.500 Gulden). Für das finanziell aufwändige Leben in Prag reichte dies aber nicht. Smetana wohnte daher bei der Familie seiner Tochter Žofie in Jabkenice in Mittelböhmen, wohin er 1876 schließlich übersiedelte. Trotz seines Handicaps komponierte er hier weiter, wie die Opern Hubička (Der Kuss) und Tajemství (Das Geheimnis), eine Reihe von Klavierstücken und vor allem seine spätere symphonische Dichtung Má vlast (Mein Vaterland). Er gab in Prag weiterhin Konzerte, war eine angesehene musikalische Autorität und ein bewunderter Komponist. Das Nationaltheater wurde zum ersten und zweiten Mal mit seiner Oper Libuše (Libussa) feierlich eröffnet.

Doch das Drama seines eigenen Lebens neigte sich zu diesem Zeitpunkt bereits dem Ende zu. Bereits 1882 hatte er seinen Freunden gegenüber Befürchtungen geäußert, wahnsinnig zu werden, und im November hatte er seine ersten Anfälle. Ab 1883 kamen Halluzinationen und paranoide Phantasien hinzu. Die nationalen Feierlichkeiten zu seinem sechzigsten Geburtstag im März nahm er nicht mehr wahr. Ende April 1884 wurde er nach einem Wutanfall in die Anstalt für Geisteskranke in der Kateřinská-Straße in der Prager Neustadt eingeliefert, wo er drei Wochen später, am 12. Mai 1884, verstarb. Das Datum seines Todes ist traditionell der Tag der Eröffnung des Internationalen Musikfestivals Prager Frühling. Auch 200 Jahre nach seiner Geburt wird seine Musik immer noch gespielt und gern gehört, und obwohl er in der Welt nicht das gleiche Ansehen wie Dvořák, Janáček oder Martinů genießt, bleibt er für die Tschechen ihr größter Komponist.

 

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